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====== Legendae ====== | ====== Legendae ====== | ||
- | ======Wie Milena auf die Erde kam====== | + | =====Wie Milena auf die Erde kam===== |
Und als Milena das Elend der Menschen sah, entschied Sie sich, sich als Ihresgleichen unter sie zu mischen. Und so gab Sie Ihre Engelsmacht fort und stieg herab auf die Erde, in einen Landstrich, der Ihr der Trostloseste und Verlassenste schien. In diesem wilden Land entsprang Sie als alte Frau, gekleidet in Lumpen, einem Haselnussstrauch. Inmitten von weglosen Sümpfen brachte Sie Milena, das Kind, zur Welt. Mit dem ersten Atemzug des Kindes tat die Alte ihren letzten. Für Stunden lag Milena dort, nackt, schutzlos, das wehrloseste Wesen unter dem Antlitz des Herrn.\\ | Und als Milena das Elend der Menschen sah, entschied Sie sich, sich als Ihresgleichen unter sie zu mischen. Und so gab Sie Ihre Engelsmacht fort und stieg herab auf die Erde, in einen Landstrich, der Ihr der Trostloseste und Verlassenste schien. In diesem wilden Land entsprang Sie als alte Frau, gekleidet in Lumpen, einem Haselnussstrauch. Inmitten von weglosen Sümpfen brachte Sie Milena, das Kind, zur Welt. Mit dem ersten Atemzug des Kindes tat die Alte ihren letzten. Für Stunden lag Milena dort, nackt, schutzlos, das wehrloseste Wesen unter dem Antlitz des Herrn.\\ | ||
Als die Nacht hereinbrach, | Als die Nacht hereinbrach, | ||
- | ======Wie Milena den heiligen Veit errettete====== | + | =====Wie Milena den heiligen Veit errettete===== |
Nachdem Sie aufgebrochen war aus ihrem weltlichen Heim, um Trost und Weisheit zu verbreiten unter den Menschen, kam sie als erstes in ein kleines Dorf. Auf dem Dorfplatz, sitzend im Dreck und in Lumpen gehüllt, saß einer. Die Dorfleute warnten Milena, in ihm wohne der Fünfgeschwänzte. Sein Blick und seine Gedanken seien nicht in dieser Welt.\\ | Nachdem Sie aufgebrochen war aus ihrem weltlichen Heim, um Trost und Weisheit zu verbreiten unter den Menschen, kam sie als erstes in ein kleines Dorf. Auf dem Dorfplatz, sitzend im Dreck und in Lumpen gehüllt, saß einer. Die Dorfleute warnten Milena, in ihm wohne der Fünfgeschwänzte. Sein Blick und seine Gedanken seien nicht in dieser Welt.\\ | ||
Doch Milena ging hin zu ihm, und hob ihn auf, und strich die wirren Haare aus seinem Gesichte. Und als ihre Hand seine Stirne berührte, da wurde sein Blick klar. Er sah Milena in die Augen und sprach: "Ich sehe Dich!\\ | Doch Milena ging hin zu ihm, und hob ihn auf, und strich die wirren Haare aus seinem Gesichte. Und als ihre Hand seine Stirne berührte, da wurde sein Blick klar. Er sah Milena in die Augen und sprach: "Ich sehe Dich!\\ | ||
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Veit lachte und war froh. | Veit lachte und war froh. | ||
- | ======Wie Milena den Schmied Albin heilte====== | + | =====Wie Milena den Schmied Albin heilte===== |
Und es begab sich, dass in dem kleinen Flecken Nordmoor im Norden Nebelheims, in dem Milena einst zur Welt gekommen, ihr Ziehvater an einer Seuche erkrankt war, und keiner der Heilkundigen, | Und es begab sich, dass in dem kleinen Flecken Nordmoor im Norden Nebelheims, in dem Milena einst zur Welt gekommen, ihr Ziehvater an einer Seuche erkrankt war, und keiner der Heilkundigen, | ||
Dann jedoch raffte sie ihren Umhang dichter um sich und machte sich auf in den dunkeln Wald. Als sie nach einer Stunde wiederkehrte, | Dann jedoch raffte sie ihren Umhang dichter um sich und machte sich auf in den dunkeln Wald. Als sie nach einer Stunde wiederkehrte, | ||
- | Darauf machte sie sich stumm daran, aus dem Moos einen Tee zu brauen, den sie ihrem Vater einflößte. Und noch während die Heilkundigen sie verspotteten, | + | Darauf machte sie sich stumm daran, aus dem Moos einen Tee zu brauen, den sie ihrem Vater einflößte. Und noch während die Heilkundigen sie verspotteten, |
Der jüngste der Heilkundigen jedoch, der nicht gelacht hatte, klaubte heimlich die letzten Reste Moos auf und verbarg sie sorgsam in seinem Gewande. Er wurde hernach ein geachteter Heiler, der sogar ein mal die Pest mit einem Trank aus Moos zu bezwingen im Stande war. Seither sagen die Leute, wenn jemand schwer krankes doch noch überraschend gesundet, er habe seinen Kopf in Milenas Schoß gelegt – nach dem Kraut aus Ihrer Schürze. | Der jüngste der Heilkundigen jedoch, der nicht gelacht hatte, klaubte heimlich die letzten Reste Moos auf und verbarg sie sorgsam in seinem Gewande. Er wurde hernach ein geachteter Heiler, der sogar ein mal die Pest mit einem Trank aus Moos zu bezwingen im Stande war. Seither sagen die Leute, wenn jemand schwer krankes doch noch überraschend gesundet, er habe seinen Kopf in Milenas Schoß gelegt – nach dem Kraut aus Ihrer Schürze. | ||
- | ======Wie Milena die Scholastiker tröstete====== | + | =====Wie Milena die Scholastiker tröstete===== |
Eines Morgens, Milena saß mit den Scholastikern beim Mahl, musste Veit zurück in seine Heimatstadt. Er war niedergeschlagen und klagte laut, er würde Milena und Ihre Lehre vermissen, und frug: Wie soll es weiter gehen mit meinem Seelenheil? Milena sei nicht mehr bei ihm, wie sollte er dann wissen, was zu tun?\\ | Eines Morgens, Milena saß mit den Scholastikern beim Mahl, musste Veit zurück in seine Heimatstadt. Er war niedergeschlagen und klagte laut, er würde Milena und Ihre Lehre vermissen, und frug: Wie soll es weiter gehen mit meinem Seelenheil? Milena sei nicht mehr bei ihm, wie sollte er dann wissen, was zu tun?\\ | ||
- | Milena aber hieß ihn, gut acht zu geben. Zum Entsetzen ser Scholastiker nahm sie ein scharfes Messer und trennte ihren linken Zeigefinger ab. Die Hand barg sie in einem Tuch, den Finger aber legte sie vor sich auf den Tisch. Dann ließ sie eine Träne in einen silbernen Kelch fallen. Beides bot Sie den verwirrten Scholastikern zur Speise an. Aber siehe, als sie den Finger nahmen, war er wunderbares Brot und in dem Kelch war bester Wein, der einen berauschenden Duft verströmte. Milenas Hand aber war wieder ganz.< | + | Milena aber hieß ihn, gut acht zu geben. Zum Entsetzen ser Scholastiker nahm sie ein scharfes Messer und trennte ihren linken Zeigefinger ab. Die Hand barg sie in einem Tuch, den Finger aber legte sie vor sich auf den Tisch. Dann ließ sie eine Träne in einen silbernen Kelch fallen. Beides bot Sie den verwirrten Scholastikern zur Speise an. Aber siehe, als sie den Finger nahmen, war er wunderbares Brot und in dem Kelch war bester Wein, der einen berauschenden Duft verströmte. Milenas Hand aber war wieder ganz.\\ |
Und Milena sprach, sehet, so wie ihr von mir gespeist und getrunken habt, so habt ihr auch von mir gelernt. Gleich meinem Finger und gleich meiner Träne, so habt ihr auch meine Lehre in euch aufgenommen. Und wo ihr auch hingeht, meine Lehre und ich werden euch immer begleiten.\\ | Und Milena sprach, sehet, so wie ihr von mir gespeist und getrunken habt, so habt ihr auch von mir gelernt. Gleich meinem Finger und gleich meiner Träne, so habt ihr auch meine Lehre in euch aufgenommen. Und wo ihr auch hingeht, meine Lehre und ich werden euch immer begleiten.\\ | ||
Da sah Veit, und er brach frohen Mutes auf in seine Heimat. | Da sah Veit, und er brach frohen Mutes auf in seine Heimat. | ||
- | ======Wie Milena den Scholastikern den richtigen Weg wies (Erstes Sendfest)====== | + | =====Wie Milena den Scholastikern den richtigen Weg wies (Erstes Sendfest)===== |
Viele Jahre gingen ins Land. Die Scholastiker gingen jeder ihren eigenen Weg, um den Glauben zu verbreiten: Anna legte die Brünne der Kriegerin an und verschrieb sich dem Kampf in den Sümpfen im Süden gegen die Brut des Fünfgeschwänzten. Silvanus war aufgestiegen in den Rat der Stadt der Sieben Türme, um den Glauben von oben zu streuen. Veit nahm sich ein Weib und zeugte eine große Kinderschar, | Viele Jahre gingen ins Land. Die Scholastiker gingen jeder ihren eigenen Weg, um den Glauben zu verbreiten: Anna legte die Brünne der Kriegerin an und verschrieb sich dem Kampf in den Sümpfen im Süden gegen die Brut des Fünfgeschwänzten. Silvanus war aufgestiegen in den Rat der Stadt der Sieben Türme, um den Glauben von oben zu streuen. Veit nahm sich ein Weib und zeugte eine große Kinderschar, | ||
Als sich der Tod Milenas zum sechzehnten Male jährte, trafen sich die vier wie in jedem Jahr bei einem der ihren. In jenem Jahr war die ärmliche Hütte von Markus am Rande Einhornwalds der Ort, an dem sie zusammenkamen, | Als sich der Tod Milenas zum sechzehnten Male jährte, trafen sich die vier wie in jedem Jahr bei einem der ihren. In jenem Jahr war die ärmliche Hütte von Markus am Rande Einhornwalds der Ort, an dem sie zusammenkamen, | ||
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Veit entgegnete: SIE hat nie das Schwert ergriffen, nur friedlich können wir ihrem Vermächtnis gerecht werden. Wir müssen uns dem Volk zuwenden, wie SIE es getan hat und unserer Nachkommen werden es weiter tragen.\\ | Veit entgegnete: SIE hat nie das Schwert ergriffen, nur friedlich können wir ihrem Vermächtnis gerecht werden. Wir müssen uns dem Volk zuwenden, wie SIE es getan hat und unserer Nachkommen werden es weiter tragen.\\ | ||
Nur wenn die Herrscher fest im Glauben stehen, kann das einfache Volk folgen, warf Silvanus ein. Da widersprach Markus: Nur wer seinen Geist läutert und aller Ablenkung abschwört, wird Ihre Botschaft wahrhaft verstehen und weitertragen können.\\ | Nur wenn die Herrscher fest im Glauben stehen, kann das einfache Volk folgen, warf Silvanus ein. Da widersprach Markus: Nur wer seinen Geist läutert und aller Ablenkung abschwört, wird Ihre Botschaft wahrhaft verstehen und weitertragen können.\\ | ||
- | Ein jeder dachte sich besser als den anderen, und manches heftige Wort gab das andere.<br> | + | Ein jeder dachte sich besser als den anderen, und manches heftige Wort gab das andere.\\ |
Nach Stunden des Streits waren sie aufgesprungen, | Nach Stunden des Streits waren sie aufgesprungen, | ||
Und herein kam eine Frau, schön wie der junge Tag, umgeben von goldenem Licht, die Schwingen ausgebreitet wie vierzig Schwäne, ihr Haar reichte ihr bis an die Hüften. Sie lächelte, und sprach kein Wort. Sie küsste einen jeden der vier, und langsam nur drang die Erkenntnis durch den Schleier aus Streit und Verblendung. Tränen stiegen ihnen in die Augen, und sie warfen sich nieder auf den Boden, beschämt ob ihres Zwistes und verlegen in Ihrem Angesicht.\\ | Und herein kam eine Frau, schön wie der junge Tag, umgeben von goldenem Licht, die Schwingen ausgebreitet wie vierzig Schwäne, ihr Haar reichte ihr bis an die Hüften. Sie lächelte, und sprach kein Wort. Sie küsste einen jeden der vier, und langsam nur drang die Erkenntnis durch den Schleier aus Streit und Verblendung. Tränen stiegen ihnen in die Augen, und sie warfen sich nieder auf den Boden, beschämt ob ihres Zwistes und verlegen in Ihrem Angesicht.\\ |