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Das erkaltete Herz

Eine Geschichte von Thalea von Holdenburg, aufgeführt als Schauspiel auf dem Sendfest in Friedland im Jahr 1111

Es war einmal vor gar nicht allzu langer Zeit in einem gar nicht allzu weit entfernten Orte, der da hieß Achtwälder. Dort lebte ein junger Baron mit Namen Theobald in dem beschaulichen Orte Glückshain.

Es begab sich eines Tages, dass jener nun zu einem Feste lud und Heerscharen, alt und junge Leut', zu seinem Gute strömten. Unter diesen befand sich auch die junge, zauberhafte und unschuldige Fee Alesia. Als nun das Fest zu später Stund' in vollem Gange war, führte Milenas Hand das Aug' des Baron zu unserem schönen Fräulein hin. Sein Blick traf tief ihr Herz und beide waren vom Moment an einander zugetan. So bat Theobald das zarte Kind bei ihm zu bleiben, um die Knospe ihrer jungen Liebe gedeihen zu lassen. So war es Alesia höchstes Glück, ihm wohl und nah zu sein und sie gab von tiefsten Herzen ihr Versprechen und war fortan sein Gast, sein Heim, seine Liebe und ein Kuss besiegelte die jungen Bande ihrer Gefühle.

Doch Alesias zartes Glück in trauter Zweisamkeit war nur von kurzer Dauer, denn der junge Baron verfiel der Wildschweinjagd in den Mooren von Dunstforst und ließ die liebenden Arme seiner holden Fee in Kühle zurück. Das Ringen und Kämpfen mit den immer größeren Rotten von Wildschweinen stieg dem tapferen Theobald bald zu Gemüte und zerrüttete seine Geruhsamkeit und veränderte sein Herz wohl für immer.

Zum Gipfelpunkt seiner Rastlosigkeit schloss er sich dem Waidmannsorden zur andauernden Wildschweinjagd an und gab das Versprechen, alle Wildschweine zu vernichten.

Ein Hauch von Schicksal führte unsere zwei Liebenden jedoch wieder zusammen, als der König dieser Lande dem jungen Baron und vielen anderen Mannen und Gefolg auftrug, ihn auf die Reise zu einem fernen, sagenumwobenen Orte zu begleiten. So trug es sich zu, dass Alesia das Antlitz ihres geliebten Theobalds erneut erblicken durfte und dessen Verhärmung durch viele Kämpfe trübte den Geist der armen Fee zunächst.

Doch frug so ihr einst Vertrauter: „Schönes Kind, wollt ihr auf mich warten, auch wenn ich immer wieder im Dreck liegen werde?“ Die zu Tränen gerührte Alesia, froh wieder Hoffnung haben zu dürfen, erwiderte: „Mein edler Herr, ich verspreche hiermit, immer und ewig auf euch zu warten.“ Dies erschütterte das Herz Theobalds und seine Liebe flog als zart gehauchter Kuss auf die Stirne seiner Treuen. Später noch am Tage der Abreise saßen sie, einander wieder unendlich nah, zusammen und als die liebreizende Fee ihrem Baron gestand, sie wolle siech seinem Glauben anschließen, um so auf seinen Jagden im Geiste bei ihm zu sein, erwiderte dieser: „Das wärmt mein Herz mehr als jedes Feuer.“ So hatten beide ihr Versprechen erneuert und das Licht Alesias reiner Liebe erfüllte den Tag und zauberte wie mit unsichtbarer Feder jedem Mann und jeder Frau im Gefolge des Königs ein unerklärliches Lächeln in die Züge.

Die Reise in die fernen Lande begann und stets umhüllte die Kraft des Feenherzes Theobalds Gestalt wie ein schützender Mantel. Doch Alesia musste traurig erkennen, dass sich ihr Liebster durch die Wildschweinjagden sehr verändert hatte. Sein strahlendes und offenes Gemüt war einer sorgenvollen Stirn gewichen und ein Schatten schien ihre Liebe zu befallen, als Theobald der Schönen kein liebes Wort und keinen Blick mehr auf der Reise zuteil werden ließ. Hatte sie ihn erzürnt? Liebte er sie nicht mehr? Alesias Herz kämpfte, rang um Tränen ob der Kühle ihres Liebsten. Aber ein anderes Dunkel wollte sich der schönen Fee bemächtige, als sie, angekommen in den fernen Landen, in eine Schlacht gerieten. Seiner Zweifel beraubt stürzte sich der bangende Theobald vor seine Liebste und rettete das schöne Kind, was sie, an Tapferkeit nicht minder, ihm gleichtat und dem Baron durch wundersamen Feenzauber das Leben schenkte, als dieser schwer verwundet zu ihren Füßen im Sterben lag. „Ich schulde euch immer mehr“, brachte er mit brüchiger Stimme hervor, während er zaghaft Alesias Hände berührte und küsste. „Und ich schulde euch alles.“, entgegnete das reine Kind und hätte ihn so gern bedeckt mit ihrer Liebe und von hier ferngebracht, in Sicherheit gewusst, damit ihr Herz nicht fortan bangen möge. Doch drängte es den Herrn Baron zurück zu Blut und Sterben und er ließ sein Lieb', sein Aug', seine Alesia erneut allein zurück.

Unser schönes unbefangenes Kind, umgeben von Tod und Hoffnungslosigkeit, verlor auf diesem Schlachtfeld nicht ihr Leben, doch den Mut es allein bestreiten zu wollen. So tat sie den zweischneidigen Schwur, Theobald zu folgen, ihm ihre Liebe und all ihr Glück zu schenken, auch wenn er sie zurück stieß. Was der hohe Herr auch in tiefster Schweigsamkeit tat, er antwortete auf keinen ihrer Briefe und war doch immer da in ihren Gedanken. Er sah sie nicht an, wenn sie sich begegneten, doch sein Erscheinen bohrte sich in Alesia wie ein bittersüßer Dorn. Sie war stets sein Schatten, hing an seinen Lippen, lebte nur für ihn. Doch selbst als man ihn frug, ob er sie nicht liebte, senkte er beschämt den Blick und erwiderte: „Allein die Frage ist eine Beleidigung.“ Die Tage zogen ins Land und Alesia litt immerfort an Theobalds Kälte. Umso bekannter, gleißend heller seine Berufung wurde, umso mehr verblasste die silbrig zarte Fee in ihrem Meer von Tränen.

So begab es sich, dass der Baron mit seinem Herzen aus Stein, Alesia die zehrendste aller Wunden zufügte, als er verkündete, er wolle sich eine Braut nehmen. Ein gut betuchtes Fräulein, das seiner Ehr`geziehme. Die arme Alesia fühlte sich zerbrochen, all ihrer Träume mit Theobald und ihren lachenden Kindern beraubt und kämpfte mit dem Wunsch, ihr Leben für die gemeinsame Liebe hinzugeben. Ihr reines Herz hatte so stark geliebt, dort war nie eine Nische für Hass und Zorn gewesen, doch nährte Theobalds neues falsches Glück die Wut in ihr und die zarte Liebe begann ganz langsam, wie von einem sanften Sommerregen fortgeschwämmt, zu verschwinden und machte den roten Stürmen des Herbstes Platz, dessen Böen in ihre Adern drängten, ihr ungeahnte Kräfte verliehen, sie stark und zornig machten. Er war holder Prinz gewesen, hatte ihr das Herz versprochen und sie an sich gebunden. Nun musste sich Alesia von ihren Träumen befreien, sie würde nie mit ihm glücklich sein können, würde nie in die lachenden Augen seines Kindes sehen und sich selbst erkennen, so sollte auch er dieses Glückes beraubt sein.

Die Fee Alesia sprach den Bann und was hätte nie ihrs sein können, ward auf immer getilgt und Theobald seiner Manneskraft entledigt. So begab es sich und die liebreizende Alesia lebte befreit von ihrer unerfüllten Liebe glücklich bis ans Ende ihrer Tage.


(Idee und Inhalte von Silke, geschrieben von Lisa)

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  • Zuletzt geändert: 31.05.2022 16:50
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